
Tourte de Meule (Sauerteig-Experiment)
Nachdem durch Björn Hollensteiners Rezeptwochen mit Lievito Madre-Vorteig hier und da eine neue “LM”-Euphorie auflebte, habe ich mich gefragt, ob die ihm nachgesagte große Triebkraft nicht schlichtweg durch die feste Führung verursacht wird. Logische Konsequenz daraus wäre, dass jeder Weizensauerteig als Lievito Madre-Ersatz herhalten könnte, wenn er nur mit wenig Wasser aufgefrischt würde.
Nach allem was ich bisher über die Welt des Sauerteiges weiß, mögen die dem “LM” zugesetzten und für seine Triebkraft oft zur Erklärung herangezogenen Nektarhefen des Honigs anfangs eine Wirkung entfalten, würden aber schnell zugunsten der heimischen Mikroorganismen der Backstube verdrängt werden und letztlich keinen Einfluss mehr auf den Trieb des Sauerteiges haben. Die Triebkraft eines fest geführten Sauerteiges kann ich mir nur dadurch erklären, dass seine Mikroorganismen durch das fehlende Wasser ausgebremst und recht aktiv/hungrig in ein Schlaraffenland voller Nahrung und Wasser geworfen werden (Brotteig). Zufrieden stellt mich diese Hypothese nicht. Ich wäre deshalb für weitergehende Erklärungen sehr dankbar.
So oder so: Ich habe ein Experiment durchgeführt. Für eine Abwandlung von Björns Rezept für Tourte de Meule (mit deutschen Mehlen) habe ich einmal einen Sauerteig mit 50% Wasseranteil und ein anderes Mal einen Sauerteig mit 100% Wasseranteil verwendet. Die Zutatenmengen sind in beiden Rezepturen identisch gewesen. Die Reifezeit des festen Sauerteiges ist etwas länger.
Geschmacklich und optisch hat die Rezeptur mit festem Sauerteig gewonnen. Der Teig war etwas straffer (das Mehl mit Stärke und Eiweiß wird im festen Sauerteig nicht so stark abgebaut), die Krume letztlich schön fluffig, elastisch, saftig und fein säuerlich, das Volumen größer. Dagegen hatte das mit weichem Sauerteig geführte Brot mit einem weicheren Teig, einem flachen Querschnitt, kleinerem Volumen und fehlender geschmacklich wahrnehmbarer Säure zu kämpfen.
Das Experiment bestätigt also meine Vermutung, dass ein fester Weizensauerteig mit einem vergleichbar aufgefrischten und gut gehegten Lievito Madre beim Trieb mithalten kann. Ein Direktvergleich zwischen Sauerteig und Lievito Madre steht noch aus.
Noch ein Hinweis: Der Wassergehalt ist mit 78% (TA 178) für deutsche Mehle sehr hoch. Dadurch verschwimmt u.a. der Ausbund. Wer es lieber rustikaler mit aufgerissenem Ausbund mag oder wer mit weichen Teig nicht so geübt ist, sollte deshalb auf 70-75% heruntergehen (20-60 g weniger Wasser im Hauptteig). Ich habe mich für die weiche Teigvariante entschieden, um ein wirklich saftiges und lange frischhaltendes Brot zu backen.
Im Rezept habe ich die Zutatenmengen für die weiche Sauerteigvariante in Klammern gesetzt.
Weizensauerteig
- 100 g Weizenmehl 550
- 50 g (100 g) Wasser (50°C)
- 10 g Anstellgut
Quellstück (Autolyse-Teig)
- Sauerteig
- 150 g Weizenvollkornmehl
- 495 g Weizenmehl 1050
- 530 g (480 g) Wasser
Hauptteig
- Quellstück
- 15 g Salz
- 4 g Frischhefe
Die Sauerteigzutaten vermengen und 7 (6) Stunden bei 35°C fallend auf 25°C (z.B. mit Warm-Kalt-Kompresse in Styroporbox) reifen lassen.
Mehle, Sauerteig und Wasser 2-3 Minuten auf niedrigster Stufe vermischen und 60 Minuten bei 22-24°C ruhen lassen (Autolyse).
Hefe und Salz zugeben und 3 Minuten auf niedrigster Stufe kneten (Teigtemperatur ca. 24°C).
2 Stunden Gare bei 24°C, nach 45 und 90 Minuten falten.
Den Teig rundwirken und 60 Minuten bei 24°C zur Gare stellen.
Bei 260°C fallend auf 210°C ca. 60 Minuten mit Dampf backen.
Zubereitungszeit am Backtag: ca. 5 Stunden
Zubereitungszeit gesamt: ca. 12 Stunden
Material- und Energiekosten: 1,90 €

Saftig, aromatisch, Tourte de Meule.
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